Nutzung des Tageslichtes

Das reale Niveau und der örtliche Verlauf des Tageslichtes in einem Raum hängen von einer Fülle von Einflussfaktoren ab, wie z. B. von der Größe und Lage der Fenster, ihrer Orientierung bzgl. der Himmelsrichtung sowie von der Art und dem Umfang der Abschattung des Tageslichtes durch gegenüber den Fenstern befindliche Gebäude und deren Reflexionsgrad (Verbauung).

Ein vereinfachtes Modell der Tageslichtversorgung eines Innenraumes führt zur Ermittlung seines Tageslichtquotienten. Dabei wird das Tageslicht außerhalb des zu betrachtenden Raumes als rein diffus angenommen. Weiterhin wird angenommen, dass keine Verbauung den Eintritt des Tageslichtes beeinflusst. Unter diesen Annahmen ist die Tageslichtversorgung im Innenraum nur noch von der Geometrie des Raumes, den Reflexionseigenschaften der Oberflächen im Raum und der Größe und Lage der Fensterflächen abhängig. Dieses Modell hat sich als Werkzeug zur Ermittlung der relativen Verteilung des Tageslichtes im Raum weit etabliert. Der Tageslichtquotient beziffert dabei für jeden Punkt im Raum das Verhältnis der dort resultierenden Beleuchtungsstärke zur sie verursachenden Beleuchtungsstärke im Freien.

mit:
Dp        Tageslichtquotient am Punkt p in Innenraum
Ep         horizontale Beleuchtungsstärke am Punkt p im Innenraum
Eaußen  horizontale Beleuchtungsstärke außen.

Die Beleuchtungsstärke Eaußen ist abhängig von der Tageszeit und der Jahreszeit. Diese Abhängigkeit ist in der Abbildung dargestellt.

Abbildung 1.52: Horizontale Beleuchtungsstärke EA bei bedecktem Himmel für 51° nördliche Breite (für Deutschland repräsentativ) in Anhängigkeit von der Jahres- und Tageszeit nach DIN 5034-2 (WOZ – wahre Ortszeit)

Mit diesen Angaben kann für jeden Zeitpunkt die Beleuchtungsstärke Ep für jeden Punkt ermittelt werden. Die sich in diesem Modell ergebende örtliche Verteilung der Beleuchtungsstärke in einem Innenraum kann dann z. B. in Form von Isoluxlinien mit marktüblicher Lichtplanungs-Software (DIALux, Relux) ermittelt und dargestellt werden (siehe Abbildung).

Abbildung 1.53: Verteilung der horizontalen Beleuchtungsstärke Ep in einem Klassenraum

Für eine detailliertere Ermittlung des Niveaus der Tageslichtversorgung werden im Allgemeinen zusätzlich die Verbauung, die Himmelsrichtung der Fenster und weitere äußere Parameter berücksichtigt. Insbesondere bei der Anwendung der Norm DIN V 18599 zur Ermittlung des Gesamtenergiebedarfs eines Gebäudes (siehe auch Kapitel 3.4.8) werden viele äußere Faktoren mit berücksichtigt, die zur Ermittlung des Energiebedarfs anderer Gewerke, z. B. der Heizung, ebenfalls herangezogen werden.

Lichtregelung

Zur Energieeinsparung kann das Tageslicht genutzt und der Anteil der künstlichen Beleuchtung an der Gesamtbeleuchtung mittels eines automatischen Regelsystems reduziert und ggf. ausgeschaltet werden. Der Tageslichtquotient D = 0 beschreibt dabei den fensterlosen Raum (bzw. auch den Innenbereich eines Großraumbüros oder einer Fertigungshalle), der keine Energieeinsparung durch Tageslichtnutzung ermöglicht. Als Tageslichtzonen im Innenraum werden Flächen bezeichnet, deren Tageslichtquotient in der Nutzebene mindestens 3% beträgt. Der nutzbare Tageslichtanteil in einem Raum ergibt sich aus

  • dem mittleren Tageslichtquotienten D im Bereich, in dem sich die Arbeitsplätze befinden,

  • der Betriebs-, Nutzungs- bzw. Arbeitszeit und

  • dem Wartungswert der Beleuchtungsstärke.

Die Abbildung zeigt ein Standarddiagramm für den nutzbaren Tageslichtanteil für einen Arbeitsraum mit einer täglichen Arbeitszeit (Nutzungszeit) von 7:00 Uhr bis 18:00 Uhr bei tageslichtgesteuerter, künstlicher Beleuchtung für Tageslichtquotienten D = 0 bis D = 20. Das Diagramm gilt für 51° nördlicher Breite und ist für Deutschland repräsentativ.

Abbildung 1.54:

Abhängigkeit des Tageslichtanteils der Beleuchtung vom Tageslichtquotienten D bei verschiedenen Tageslicht abhängig gesteuerten, gesamten Beleuchtungsstärken und einer täglichen Betriebszeit von 7:00 – 18:00 Uhr

Die folgende Abbildung zeigt ein Büro mit einem fensternahem Arbeitsplatz. Die Beleuchtungsstärke wird am Ort des Arbeitsbereiches gemessen und nötigenfalls durch Ergänzung des Tageslichtes mit Kunstlicht konstant gehalten. Das resultierende Licht reicht in der Raumtiefe in jeder Situation aus, um den dort befindlichen Verkehrsbereich adäquat zu beleuchten.

Abbildung 1.55: Schematischer Verlauf der Beleuchtungsstärke des Tageslichtes in einem einseitig befensterten Büroraum

Die nachfolgende Abbildung zeigt anhand eines Klassenraumes, dass Arbeitsplätzen in einer Raumtiefe von 5m auch bei großen Fensteröffnungen weniger als 30% des Tageslichtangebotes fensternaher Arbeitsplätze zur Verfügung steht. Es muss jedoch sichergestellt sein, dass in allen Arbeitsbereichen die in der lichttechnischen Norm EN 12464-1 geforderten Gütemerkmale der Beleuchtung erfüllt sind. Entsprechend muss auch in der Raumtiefe jederzeit eine genügende aus Tageslicht und künstlicher Beleuchtung resultierende Beleuchtungsstärke vorliegen, wenn sich dort Arbeitsplätze befinden. Dies ist bei der Auslegung des tageslichtabhängigen Regelsystems zu berücksichtigen (siehe Abbildung, siehe auch Kapitel „Lichtmanagement").

Abbildung 1.56: Schematischer Verlauf der Beleuchtungsstärke des Tageslichtes in einem einseitig befensterten Klassenraumraum

Beispiel

In einem Büro ist für eine mittlere Beleuchtungsstärke von 500 lx ein spezifischer, elektrischer Anschlusswert von 15 W/m2 ermittelt worden. Die Regelarbeitszeit beträgt von 7 Uhr bis 18 Uhr, also 11 Stunden am Tag. Die Arbeitsplätze sind im Fensterbereich angeordnet. Der Tageslichtquotient D bezieht sich auf diesen Bereich. Der Energiebedarf ohne Nutzung des Tageslichtes (D = 0 %) beträgt im Jahresdurchschnitt mit 11 Stunden je Tag und z. B. 200 Arbeitstagen im Jahr 33 kWh/(m2 · a). Setzt man den Wert 100%, reduziert sich der Energiebedarf für die künstliche Beleuchtung bei tageslichtabhängiger Regelung der künstlichen Beleuchtung je nach Tageslichtquotient D wie folgt:

Tabelle 1.35: Energiebedarf der Beleuchtung eines Büros

Das Beispiel zeigt die durch eine tageslichtabhängige Regelung der künstlichen Beleuchtung nutzbaren Energie-Einsparungspotentiale, die bis zu 70% betragen können (die entsprechenden Werte sind in Bild markiert).

In der Praxis hat es sich bewährt, die möglichen Einsparpotentiale in der oben angedeuteten Reihenfolge zu betrachten:

  • Zuerst wird durch eine sinnvolle Auswahl und Anordnung effizienter Leuchten eine Beleuchtungsanlage konzipiert, die mit geringem Energieaufwand eine hohe Beleuchtungsqualität unter optimaler Erreichung der lichttechnischen Gütemerkmale ermöglicht.

  • Dann wird eine elektronische Anwesenheitserfassung in Erwägung gezogen, da diese in vielen Anwendungsfällen mit relativ geringem Mehraufwand hohe Einsparpotentiale erschließen kann. Insbesondere sind bei ausschaltenden Lösungen keine dimmbaren Leuchten erforderlich. Es ist ggf.  darauf zu achten, dass die einzusetzenden Leuchten unempfindlich gegen häufiges Schalten sind. Im Allgemeinen sind hier LED-Leuchten zu bevorzugen.

  • Zuletzt ist zu entscheiden, ob eine tageslichtabhängige Regelung sinnvoll ist. Dabei ist zu beachten, dass dies im Allgemeinen einen größeren Mehraufwand erfordert, da neben der Sensorik auch dimmbare Leuchten erforderlich sind. Dieser Mehraufwand ist nur dann zu rechtfertigen, wenn nach der Reduzierung der Betriebszeit durch die Anwesenheitserfassung noch genügend Einsparpotential besteht.